Es war dunkel und eine kalte Nacht hing über London. Nachdem Kayla ihren Vater besucht hatte, wollte sie noch einmal zurück an diesen magischen Ort, wo sie doch vor gar nicht langer Zeit so vieles erlebt hatte. Nachdem Voldemort vernichtet war, Douglas auf und davon und auch Lionel sich nicht mehr blicken gelassen hatte, war Kayla immer stiller geworden und tappte häufig einfach nur umher. Sie fühlte sich schwer heute Abend und wünschte sich nichts mehr, als da vor dem Eingang zum PsychoMantis einem längst vertrauten Gesicht zu begegnen. Nicht nur seinem Gesicht, auch seinem Geruch... einfach allem. Aber sie hatte es abhaken müssen, denn zwei Jahre lang hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Kayla atmete schwer durch, als sie so nachdenklich vorm PsychMantis stand und sich wieder zu fassen versuchte.
Lionel streifte durch die eisige Nacht, den zerfetzten Umhang eng um sich gebunden. Er, der immer auf ordentliches Aussehen achtete, trug einen zerrissenen Umhang. Er musste sich halt im Untergrund halten. Er hatte so viele Menschen getötet, zerfleischt, ausbluten lassen, wenn ihn ein Auror sah, würde er nicht nach Askaban kommen. Das Urteil bei ihm war: 'Bringt ihn um, bevor er euch umbringt.' Er war nur noch in der Nocturngasse zu sehen und selbst dann erst, wenn es endlich dunkel war. Nur da konnte er sich im Hintergrund halten, falls doch einer von Potters kleinen Freunden sich hier her verirrte. Er bemerkte erst jetzt, dass er in einer ihm sehr bekannten Ecke der Nokturngasse war. Ein paar Meter weiter war sein Stammlokal. Er war seit fast einem Jahr nicht mehr da gewesen. Seit Voldemort gefallen war. Er hatte sich von der Welt zurück gezogen. Selbst seinem Beruf kam er nicht mehr allzu oft nach, weshalb er sich keine neuen Klamotten leisten konnte, zumindest nicht die edlen Markenkleider, die er sonst so schätzte. Er sah einen bekannten Schemen in der Nacht. Ein Echo aus der Vergangenheit. Kayla. Er schlich sich langsam an sie an. Er hatte eigentlich keine Lust auf Gesellschaft, aber sie würde ihn sowieso bemerken, wenn er versuchte, an ihr vorbei zu kommen, also gönnte er sich etwas Nervenkitzel. "Buh", hauchte er in ihren Nacken und setzte einen kalten, unnahbaren und trotzdem belustigten Blick auf, was nicht gerade leicht war.
Kayla erschrak und fuhr blitzartig herum. Noch bevor ihre Augen eine Gestalt wahrnehmen konnten, hatten sein Geruch und sein Atem ihr alles gesagt. Die junge Studentin wusste sofort, dass er es war. Doch sie war sich nicht sicher, wie real dieser Moment gerade sein mochte. Sie sah Lionel in diese kalten doch amüsierten Augen und ertappte sich selbst bei einem fast verträumten Versinken. Wow, langsam Schätzchen dachte sich Kayla und atmete kurz durch, um wieder runter zu kommen. Dann zog sie in divenhafter Manier eine Augenbraue hoch, stemmte den einen Arm in ihre Hüften und warf dem Werwolf einen erwartungsvoll schmolligen Blick zu. "Du tauchst einfach so wieder auf?" fragte sie. Ihre Frage war rethorisch gemeint - oder nicht? Sie wollte eigentlich keine Antwort darauf. Sie wollte sich nur sicher sein können, dass er nun nicht mehr verschwinden würde. Sie wollte... was wollte sie eigentlich? Die lange Zeit ohne ihn hatte Kayla nachdenklich gestimmt. Wäre sie ja nun immerhin fast zur Werwölfin geworden und hatte ihre ganze kühle klare Art beinahe völlig vergessen. Sie fragte sich, was sie dazu veranlasst haben mochte. Allerdings stellte sie im selben Augenblick auch fest, dass Lionels Blick nicht sehr viel Gefühl in sich barg. Früher hätte Kayla das glatt übergangen und in ihm noch immer die selbe Leidenschaft gesehen. Doch heute war sie unsicher, ob sie diesen Blick wirklich noch deuten konnte. Ob sie ihn wirklich noch kannte. Sie ihrerseits war viel reifer und selbstbewusster, aber auch ruhiger und verletzter geworden. Die letzten Ereignisse würden auch ihn verändert haben. Nicht zuletzt optisch - was Kayla etwas abstieß. Dann legte sie den Kopf zur Seite und sah ihn einfach schweigend an. Ich sollte gehen. Das war keine gute Idee. dachte sie plötzlich und rang mit sich, ihm nun den Rücken zu kehren und weiter zu gehen.
Lionel legte den Kopf schief und bleckte die Zähne: "Schätzchen, du denkst doch wohl nicht, dass ich jetzt, nachdem der Meister tot ist, noch einfach frei herumspazieren kann. Wenn ich die Wahl habe, zu leben und keine Menschen zu sehen, oder aber Menschen zu sehen und dabei umgebracht zu werden, dann entscheide ich mich sicher nicht für meinen Tod." Er sog die kalte Nachtluft zwischen den Zähnen ein und sagte dann - mit Mühe, alle Emotionen zu unterdrücken und kalt zu wirken- : "Und da werde ich auch keine Ausnahme machen, nicht einmal um dich zu sehen." Er legte wieder den Kopf schief. "Ich muss im Untergrund agieren. Ich kann mich selbst hier nicht oft sehen lassen. Ich kann meinem Job nicht mehr wirklich nachkommen, ich habe dauerhaft Hunger, weil ich zwar dieses Menschenfutter habe, aber schon lange kein blutiges Muggelsteak meh zwischen den Zähnen hatte. Und tu mir den Gefallen und mach mir keine Vorwürfe, dass ich mich nicht blicken lasse, wenn die halbe Zaubererwelt mich umbringen will, ich mein einziges Zuhause, das ich je hatte, verloren hab und ich HUNGER habe." Lionel wollte das zwar nicht, doch seine Stimme klang immer wütender. Was dachte diese Frau sich eigentlich? Sie waren in keiner Art und Weise fest zusammen gewesen, oder? Hatte er irgendetwas nicht mitbekommen? Und dass er sich nicht darüber klar war, ob dies tatsächlich noch eine emotionslose Affäre war, hatte er ihr auch nie gesagt, also warum machte sie ihm eine Szene?
Kayla wusste nicht recht, was ihr mehr wehtat. Die Tatsache, dass sie ja eigentlich verstand, weshalb er weg war oder sein Tonfall. Sie ertrug es nicht, wenn er wütend war. Doch, aber nicht wenn er wütend auf sie war. Ihr Herz schlug schneller, sie rang mit sich und atmete nur noch flach. Was war bloß los mit ihr? Die schöne Hexe wusste nicht, was da wirklich in ihr vorging, denn das war alles so viel mehr Gefühl, als sie zulassen wollte. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass es eine lockere Affäre war - nichts weiter. Und schließlich wollte sie ja auch nicht, dass er umgebracht wurde. Verletzt und schlicht absolut ernst sah sie ihm nun mit fester Miene in die Augen. "Auch mein Leben hat sich verändert, Lionel. Die Welt dreht sich nicht nur um dich. Meine Wohnung stand dir immer frei, das weißt du." sie machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: "Aber ich vergaß: Es war ja bloß eine Affäre." Sie senkte nachdenklich und immernoch fürchterlich ernst den Blick und drehte sich nun um und ging los. Sie wollte nur noch ein paar Schritte machen und sich dann vielleicht in den Club begeben. Auf alle Fälle brauchte sie gerade ein paar Sekunden, um runter zu kommen. Es tat ihr weh. Einfach so. Und plötzlich war über Kayla eine Stärke und eine Ernsthaftigkeit, die sie selbst erschrecken ließen. Wie eine große Mauer zog sie diese Atmosphäre über sich und grenzte sich jetzt von Lionel ab, nachdem sie mit ihrem Nachsatz eigentlich alles gesagt hatte. Obwohl er ein Mann war, konnte er ihren Tonfall nicht überhört haben.
"Wie hätte ich denn zu dir kommen sollen", knurrte Lionel leise. "Du mit deinem riesen Bekanntenkreis. Da wär immer das Risiko gewesen, dass irgendwer da war. Oder deine Familie. Ich kann niemandem mehr trauen, verstehst du das nicht. Eigentlich nicht einmal dir. Ich kann mir das nicht leisten. Aber du bist halt anders." Den letzten Satz sprech Lio mit etwas Verzweiflung und extremer Überwindung. "Das dies eine lockere Affäre ist, heißt nicht, dass du mir völlig egal bist. Das kannst du nicht sein, denn sonst würd ich dich behandeln wie jeden anderen Menschen auch, also dich komplett ignorieren." Lionel hasste Frauen in diesem Moment. Warum waren diese Wesen immer so launisch? Warum versuchten sie ständig, Männer in den Wahnsinn zu treiben? Und warum zur Hölle dachten sie immer, dass in jeder Mitteilung von einem Mann eine versteckte Botschaft steckte UND sie immer das richtige rauslasen?
Warum sprach er immernoch? Ein paar Schritt weit entfernt, vernahm Kayla die leisen Worte eines fast schon verzweifelt klingenden Werwolfs. Sie drehte sich um zu ihm und ging erneut auf ihn zu. Als sie vor ihm stand - so dicht, dass sie seinen Atem spüren könnte - da strich sie ihm sanft am Ohr entlang und entgegnete leise: "Ich würde dich niemals in Gefahr bringen. Jeden hätte ich vor meiner Tür abgewiesen, das weißt du." sie machte eine kurze Pause und ließ ihre Hand wieder hinabsinken. "Ich verstehe, dass du nun zurückgezogen leben musst. Aber das war nicht der Grund, weshalb du dich auch von mir ferngehalten hast. Du bist mir ausgewichen, weil du nicht begreifen kannst, was uns da verbindet." Den letzten Satz flüsterte sie bereits und sah ihm nun nicht mehr in die Augen. Sie konnte es nicht, denn mit jedem Wort fürchtete sie, würde sie ihn verschrecken und er wäre fort. Entgültig. Vielleicht interpretierte sie zu viel und vielleicht machte sie es ihm nicht leicht. Aber in seiner Nähe konnte Kayla einfach nicht klar denken. Das konnte sie nie. Er hatte eine magische Anziehung auf die schöne Hexe gehabt.
Lionels Auge zuckte ein paar Mal. "Ich wollte alleine sein. Ich wollte kein Wesen sehen. Und so geht es mir immer noch. Ich habe mein Zuhause verloren, ich habe meinen Meister verloren. Das hat alles nichts mit dir zu tun." Er wollte sich das weiter einreden. Er wusste, Kayla war nicht nur irgendeine Frau für ihn, die sich zufällig ein paar mal morgens neben ihm liegend fand. Sie war etwas besonderes. Aber verdammt, er war ein Werwolf. Er war kein Mensch. Er konnte nicht lieben, oder? Jedenfalls wollte er es nicht. Er wollte sich auf nichts einlassen, was er nicht kannte. Vielleicht war er feige, hatte nur Angst, aber er mochte sich einfach nicht ändern. Er mochte Veränderungen nicht und es waren einfach schon zu viele in letzter Zeit gewesen. Warum konnte sich ein Wolf nicht einfach mal eine Auszeit nehmen? Warum musste sich für Frauen alles um sie drehen?
Leise seufzte Kayla und legte Lionel sacht ihre Hände auf die Brust. Sie blickte ihn kurz an und küsste ihn dann leidenschaftlich - wie zum Abschied. Sie wollte nichts mehr sagen, denn sie beide wussten im Grunde sehr gut, was Sache war. Vielleicht musste der Werwolf sein Leben neu ordnen. Vielleicht musste sich der Sturm erst legen. Für Kayla bedeutete das weitere Einsamkeit. Von ihrem Vater beschattet, von ihren Freunden verlassen. Lionel kannte die junge Hexe so gut und wusste er dennoch nicht, dass die letzten Entwicklungen auch auf sie Einfluss nahmen? Sie stand ständig unter Druck. Ihr Vater ließ sie von Auroren bespitzeln, sie durfte sich keinen Fehltritt leisten. Zwar war sie keine Todesserin, doch pflegte sie gute Kontakte zu jenen. Ihre Cousine - der ganze Rest der Valérys - war nun ruhig und hatte sich vorm Zaubergamot gekonnt herauswinden können. Kayla balancierte auf einem seidenen Faden und wünschte sich nur einen Halt, um Ruhe zu finden. Es kam ihr vor, als kannte Lionel sie gar nicht mehr, denn er musste doch wissen, dass ihr Vater ihr gegenüber immer misstrauisch gewesen war und dass der Fall Voldemorts auch für sie Konsequenzen haben würde. Es schien ihn gar nicht weiter zu interessieren. Sie wollte gar nicht, dass sich alles um sie drehte. Sie wollte ihm nur nahe sein. Und vielleicht einmal verstanden werden. Als sie ihre Lippen von seinen löste, flüsterte sie leis: "Gute Nacht." und wandt sich um in Richtung Club.
"Gute Nacht", nickte Lionel und ging mit gesenktem Blick weiter. Für Kayla wäre es zu gefährlich, mit ihm gesehen zu werden, in den Club konnte er auch nicht mehr. Viele der Todesser waren Verräter geworden. Genau wie nach dem ersten Fall Voldemorts vor 16 Jahren. Es war besser, Abstand zu halten. Für sie und für ihn. Wenigstens, bis etwas Gras über die Sache gewachsen war. Wenn Lionel nicht mehr einer der meistgesuchtesten Verbrecher der gesammten magischen Welt war. Mittlerweile WOLLTE er zwar Zeit mit ihr verbringen. Er wollte zwar alleine sein, aber trotzdem zu zweit. Aber er wollte sie nicht noch mehr in Gefahr bringen. Dazu war sie ihm einfach zu wichtig. "Kayla", rief er ihr nach. "Ich werd dich vermissen. Ich bin nachts meist hier zu finden, tags schlafe ich. Wenn es wieder etwas stiller geworden ist, komme ich bei dir vorbei, wenn du mich dann noch sehen willst." Mit diesen Worten verschwand er in den Schatten der Straße, damit Leute, die sich umschauten, wer gerufen hatte, ihn nicht sahen.
Als Lionel in der Dunkelheit verschwand, sah Kayla ihm traurig nachdenklich hinterher. Ja, er würde sie vermissen und sie ihn. Auf den Stufen zum Club hinein machte die junge Hexe plötzlich kehrt und ging doch lieber ein wenig die Straße entlang. Sie fand keinen klaren Gedanken und wenn sie ehrlich war, schoss ihr nur immer wieder eine Szene durch den Kopf - wie er sie küsste. Lionel berührte Kayla anders als jeden anderen Menschen und sie genoss dieses Gefühl. In ihrem Kopf sah sie immer nur ihn, ihren Rücken entlang breitete sich Gänsehaut aus. Und wenn es nur war, um verzweifelt zu sein. Und wenn es nur war, um sich weh zu tun. Kayla wollte ihn sehen, sie musste ihn sehen. Sie könnte heute Nacht nicht allein sein. Morgen, da könnte er sie wieder fortschicken, aber nicht heute. So atmete sie schwer durch und machte sich auf den Weg an einen Ort, den niemand finden sollte.