Liebevoll streichelte Kayla ihren Werwolf und ganz unbemerkt im Feuerschein ließ sie ihre Haare rot leuchten. Es war ein Gefühl von vollkommenem Leben in ihr, dass ihr Herz eine Aura zu werden schien. Sie lächelte Lionel an und antwortete dann leise: "Ich weiß nicht. Vielleicht ist es bloß die Angst vor diesem Lio in dir, den Menschen zulässt. Oder aber dein Körper sucht einen Vorwand, um mir nah zu sein." Bei letzterem musste sie grinsen und schmiegte sich derweil ganz nah an ihn an. "Ich bin froh, dass Voldemort nicht mehr ist" begann sie nachdenklich. "Du hättest mich wohl sonst nie an dich herangelassen."
Lionel musste lachen, wieder sein kehliges Lachen, das manche Leute als hochnäsig einschätzen würden, doch was nur in etwa 60 Prozent der Fälle auch so gemeint war. Hier war es das jedenfalls nicht. "Mein Körper sollte eigentlich wissen, dass er dafür keinen Vorwand braucht, aber hoffen wir einfach mal, dass das wirklich der Grund ist." Er durfte nicht krank werden, das konnte in der Höhle mit Lungenentzündung enden, und das wiederrum führte zum Tod, denn er konnte sich nicht im St. Mungos blicken lassen. Dann könnte er sich auch gleich den Todessern ausliefern, das würde schneller gehen.
"Ich hätte dich auch so an mich herangelassen", versicherte Lionel. "Im Gegenteil, ich hätte vermutlich nicht so eine -" , er hasste es, das Wort auszusprechen. "- Angst vor dem Leben als Mensch, weil ich wüsste, dass Voldemort mit seiner Armee da ist und ich nichts zu befürchten habe in der Welt. Wenn er da wäre, könnten wir offen leben und müssten uns nicht verstecken."
"Mach dir keine Sorgen" sprach Kayla ruhig und kraulte sanft seinen Nacken. "Du wirst sicher nicht krank werden und wenn doch, bin ich für dich da. Ich lass dich unter keinen Umständen in der Höhle sterben." Mit leuchtenden Augen blickte sie ihren Werwolf liebevoll an, als er zu sprechen begann. Doch plötzlich wurde ihr Ausdruck wieder ernst. "Du musst nichts fürchten" begann Kayla flüsternd. "Vielleicht sollten wir fortgehen. Irgendwohin, wo du dich frei bewegen kannst." Sie hielt traurig inne. "Ich will keinen Voldemort in unserem Leben. Er hat sich schon zu lange eingenistet." Kayla war nicht sicher, wie Lionel auf diese Ansicht reagieren würde. Doch die junge Hexe wollte endlich frei von alldem sein. Obwohl sie schon näher dem Abgrund war, als sie zu fürchten glaubte.
Lionel biss die Zähne zusammen, als sie meinte, sie wolle keinen Voldemort in ihrem Leben. "Voldemort ist mein Herr, auch über den Tod hinaus", knurrte er, nicht agressiv, aber bestimmt. "Er hat uns Anweisungen gegeben, und die werden wir ausführen, ob mit oder ohne ihn. Ich kann nicht davor fliehen, nicht aus Angst, sondern aus Treue." Er war sich durchaus bewusst, dass er sich wieder auf das Schoßhündchen in sich einließ, aber es war Teil seines Charakters und seines Lebens und das konnte er nicht einfach wegwischen. Nicht einmal für Kayla.
"Ich respektiere deine Treue, auch wenn sie mir missfällt" begann auch Kayla nun etwas bestimmt. "Du magst seine Anweisungen ausführen, er mag Teil deines Lebens bleiben. Aber ich will ihn nicht in unserem Leben." Sie strich sich nachdenklich das Haar zurück. "Lionel, Voldemort hatte viel zu viel Einfluss auf mein eigenes Leben und dieser Einfluss war nicht immer positiv. Du wirst verstehen müssen, dass ich ihm weder treu war noch es bin. Ich teile viele seiner Ansichten und strebe die Reinhaltung des magischen Blutes tatsächlich ebenso an. Doch ich weigere mich, ihn als meinen Herrn zu betrachten." Kayla seufzte tief und sah ins Feuer, bevor sie ernst und ruhig fortfuhr: "Im Gegensatz zu dir war und werde ich nie ein Lakai sein. Ich bin mein eigener Herr und mein eigenes Gesetz. Ich habe einen viel zu starken Willen, als dass ich mich irgendwem beugen könnte. Das wirst du akzeptieren müssen, denn ich würde zwar fast alles für dich tun, doch mich aufgeben nicht."
Lionels Augen verengten sich. "Interessant, ich bin also nur ein Lakai?", fragte er knurrend und richtete sich auf. So sehr er Kayla auch mochte, er hatte immernoch seinen Stolz. Und auch, wenn sie eigentlich Recht hatte, so ließ er sich nicht erniedrigen, zumindest nicht auf diese Art. "Ich bin auch mein eigener Herr, ich habe selber gewählt, einem Mann zu folgen, dessen Ideale ich unterstütze. Ich habe mich nicht unterworfen. Ich habe niemals wirklich vor ihm gekuscht. Ich habe meine Meinung vertreten, immer, und dafür auch den einen oder anderen Fluch abbekommen, also wag es niemals wieder, mich nur als Lakai zu bezeichnen." Der Werwolf kam durch, das spürte Lionel. Sein Blut kochte und er hatte Mühe, seinen Körper unter Kontrolle des Verstandes zu halten. Das war das schlimmste am Wolf, wenn man sich Emotionen hingab, war er da. Kaum wurde man nicht mehr vom Hirn gelenkt, übernahm der Wolf die Kontrolle, und das konnte böse enden.
Kayla spürte Lionels Wut in ihm aufsteigen und sah ernst zu ihm hin. "Ich habe nie gesagt, du seist nur ein Lakai gewesen" entgegnete sie ruhig in sachlichem Ton. Dann stand sie auf und ging hinüber zum Feuer, denn sein Zorn fror sie. Natürlich wäre sich die junge Hexe über solche Reaktionsmöglichkeiten im Klaren gewesen und würde damit auch umgehen können. Doch erhofft hatte sie etwas anderes. "Du musst selbst wissen, wie du dazu stehst. Und offensichtlich geht es mich nichts an" begann sie nachdenklich, während sie in die Flammen sah. "Aber du solltest auf deinen Tonfall und deine Wortwahl achten, denn mir Vorschriften zu machen" sie sah auf zu ihm "dazu hast du kein Recht." Nach einem Moment erhob sich Kayla erneut aus der Hocke vorm Feuer. "Vielleicht sollten wir jetzt schlafen" sagte sie leise. Auch die hübsche Studentin hatte sich verändert. Man sah ihr Herz. Aber nur selten erkannte man den eisigen Schleier darum.
Lionel knurrte nur als Antwort. Natürlich hatte sie ihn als Lakaien bezeichnet, aber scheinbar hörte sie sich selber nicht zu. "Geh du ruhig schlafen", antwortete er und hatte vor, so schnell wie möglich wieder zu seiner Höhle zurückzukehren. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, ihr nachzukommen. Sie waren ja doch zu unterschiedlich. als dass es auf Dauer zwischen ihnen funktionieren könnte. Scheinbar verstand sie ihn nicht. Wie konnte sie erwarten, dass er seine Aufträge für sie vergaß? Und wie konnte sie ihn als Lakaien bezeichnen? Wie konnte sie seinen Stolz verletzen, wenn sie doch wusste, dass das das einzige war, das er noch besaß? Er erhob sich, ging an ihr vorbei und in Richtung Haustür. Er hätte zwar auch im Haus apparieren können, aber er besaß noch so viel Stil, dass er dafür ert die Tür hinter sich bringen wollte.
Wie hätte sie wissen sollen, dass Lionel seinen Stolz als das einzige wahrnahm, das ihm noch geblieben war? Wo sie doch an seiner Seite stand... Wie hätte sie nichts von ihm verlangen sollen, wenn sie doch ein Teil seines Lebens sein wollte? Während Lio an ihr vorbei in Richtung Tür trat, wurde Kayla jetzt wütend. "Was... was glaubst du, wer du bist? Dass du Konflikten mit mir weglaufend entgehen kannst?" Sie schrie nicht, doch sprach energisch und verletzt. "Heißt das also: Wenn ich mit dir leben will, darf ich keine eigene Meinung mehr haben? Wirst du niemals mit mir reden können, wenn nicht alles rosa-rot ist?" Sie wurde leiser und bedrückt: "Du klammerst dich so sehr an etwas Vergangenes, dass du niemanden an dich heranlässt und dich selbst übersiehst. Ob du Voldemort dienst oder nicht, tut überhaupt nichts zur Sache. Aber du glaubst, ohne ihn verloren zu sein. Das bist du nicht. Wenn du wirklich deinen Stolz hättest, würdest du nicht auf die Erhaltung seines Bildes angewiesen sein und kümmertest dich um das wahre wunderbare Selbst, das in dir steckt. Und vielleicht auch um das, das dir jemand angeboten hat. Wir sind nicht zu verschieden, du lässt mich nur nicht zu. Aber das ist deine freie Entscheidung und wenn du der Meinung bist, jetzt gehen zu müssen, dann solltest du das tun." Sie seufzte leise und ging dann zur Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer.
Wieder knurrte Lionel. Warum musste sie ihm alles so schwer machen? Sie demütigte ihn und stellte ihn dann vor die Wahl, entweder sie oder sein normales Leben? War das denn nicht zu vereinbaren? Sie durfte ihn verletzen, aber wenn er dann ging, war sie verletzt? Wie sollte man die Frauen denn verstehen, wenn sie alle so waren? Jetzt wusste Lionel zumindest, warum die meisten Männer über ihre Frauen jammerten. Diese Wesen schienen tatsächlich komplett wahnsinnig zu sein, und doch konnte man nicht ohne sie leben.
Also ging Lionel ihr wieder einmal nach. In der Tür zum schlafzimmer blieb er stehen. Er wollte Abstand, um schnell genug fliehen zu können, bevor sie ihm etwas an den Schädel warf. Oder bevor es zu einem handfesten Streit wurde. "Du darfst durchaus deine eigene Meinung haben", fing er zunächst kleinlaut an. "Aber du solltest dabei ebenso aufpassen, dass du mein Leben, meine Entscheidungen nicht kritisierst. Ich habe meine Aufträge und ich MÖCHTE sie ausführen. Und ich bin kein Lakai." Dieses eine kleine Wort knabberte immer noch an seinem Stolz. "Außerdem dachte ich, ich hätte jemanden an mich herangelassen", sagte er mit hochgezogener Augenbraue. "Aber scheinbar hat diejenige eine rosa-rote Brille. Ich bin nicht das mehr oder minder freundliche Wesen, dass du kennen gelernt hast. Es ist ein Teil von mir, aber längst nicht alles. Wenn du mich willst, musst du mich schon so akzeptieren, wie ich bin. Es ist mir egal, wie du zum dunklen Lord stehst, ob Voldemort dein bester Freund oder dein größter Feind ist, aber genauso solltest du es akzeptieren, dass ich ihn immer noch aus freien Stücken unterstütze und das nicht als Lakai, sondern als Verbündeter."
Hätte Kayla seine Gedanken lesen können, sie hätte ihm wohl frech grinsend zugestimmt, das Frauen vollkommen verrückte Wesen seien. Sie persönlich wollte es auch nicht anders, hätte aber so oder so nichts daran ändern können, dass sie war wie sie war und im Grunde sollte es ja auch das sein, was Lionel liebte oder? Nachdem er ausgesprochen hatte musste Kayla, welche sich erschrocken zu ihm umgedreht hatte, doch ein wenig lachen, schritt aber langsam auf ihn zu und legte dann vorsichtig ihre Hände an seinen Bauch. Er sollte es nicht als Auslachen verstehen. "Entschuldige bitte, aber ich habe dich nie als freundliches Wesen kennengelernt. Du warst von Anfang an Todesser und von Anfang an gefährlich. Es hat mich aber nicht gestört und dieser reine Tatbestand tut es auch weiterhin nicht. Ich habe keine rosa-rote Brille getragen und nein, du lässt mich trotz alle dem nicht wirklich an dich heran" begann sie ruhig mit sanfter Stimme. Sie sah ihm tief in die Augen. "Du sagst mir also, ich darf an deiner Seite stehen und auch frei denken, aber sollte doch bitteschön die Klappe halten, weil mich dein Leben nichts angeht? Wenn ich dein Leben und deine Entscheidungen nicht kritisieren darf, wird unsere Beziehung zu einem drohenden Pulverfass. Vermutlich ist es dann meine Schuld, schön. Aber ich kann doch nicht zusehen, wie etwas zwischen uns steht, wie etwas an dir selbst zu nagen scheint, wenn du mir doch alles bedeutest. Würdest du schweigend zusehen, wenn mich jemand vor deinen Augen missbrauchen oder verprügeln würde? Nur weil ich mich vielleicht nicht wehre? Wenn ich in einem depressivem Loch hinge und den Schmerz als Bestätigung bräuchte, würdest du es dann zulassen, weil ich selbst es so wollte?" Kaylas Hände zitterten. Sie hatte Angst, Lio zu verlieren. Und sie fand den Gedanken unerträglich, alles hinnehmen zu müssen und ihre Liebe leiden zu sehen. Auch wenn er sich das nicht eingestehen würde.
Lionel zuckte zusammen und blickte sie an, als hätte sie ihn gerade geohrfeigt. Eine Weile starrte er nur, bis er irgendwann den Kopf sinken ließ. "Ich würde dich natürlich retten. Egal, wer dir was antut. Aber mir tut niemand irgendetwas an, außer der Wolfshälfte von mir. Daran hat die Tatsache, dass ich Todesser bin, keine Schuld. Daran hat nur der innere Kampf in mir Schuld. Der Kampf zwischen dem Wolf, der ich war, und dem Menschen, der ich für dich gerne wäre. Der dunkle Lord hat damit nichts zu tun. Ja, er hat mich nie dazu inspiriert, den Wolf zu unterdrücken und mich auf den Menschen zu konzentrieren, aber das hat auch niemand anderes, außer dir. Du kannst gerne Voldemort hassen, du kannst ihn kritisieren. Wenn du das brauchst, auch offen. Ich höre dir zu. Aber ich lasse mich nicht beschimpfen, auch wenn du Gründe dazu hast", sagte er und atmete erst einmal durch. "Ich kann ihn in UNSEREM Leben auf ein Minimum reduzieren, aber in meinem Teil unseres Lebens wird er weiterhin eine Rolle spielen. Ich dir gerne sagen, dass ich nicht an ihn denke, nicht seine Aufträge ausführe, wenn ich die Chance habe, aber das wäre gelogen. Ich kann nur versprechen, dich nicht in etwas hineinzuziehen, was du nicht willst."
Lionel blickte wieder auf, ihr in die Augen. "Vielleicht", fing er an. "Vielleicht ist er ja nicht mehr mein Herr, denn ich denke unabhängig, seit ich den Menschen entdeckt habe. Aber er ist immer noch mein Mentor. Vermutlich bist du mittlerweile die Herrin, zumindest die Herrin des Wolfsteils in mir. Sonst wäre ich wohl schon längst weg. " Naja, vermutlich wäre er nicht weggelaufen, aber das musste er ihr ja nicht sagen.